Neue Gentechnik – voll beherrschbar ?
CRISPR-Cas und andere Abkürzungen für eine Reihe neuentwickelter gentechnischer Verfahren machen viel von sich reden. Unter dem Begriff „Genome Editing“ zusammengefasst versprechen sie, einzelne Abschnitte der Erbinformation – anders als bei klassischen Gentechnik-Verfahren und dazuhin noch ungleich
einfacher - absolut gezielt und präzise umzuschreiben, um so einzelne Gene in gewünschter Weise zu inaktivieren oder in ihrer Funktionsweise zu verändern. Dafür werden zelleigene Reparaturmechanismen ausgenützt,
das Ergebnis soll von natürlichen Vorgängen nicht unterscheidbar sein. Gentechnik-Konzerne leiten daraus die Forderung ab, derartig erzeugte Pflanzensorten von allen bisher geltenden einschlägigen Gesetzen, Regulierungen und Verboten auszunehmen, obwohl diese in der Sache nach wie vor dringend erforderlich sind.
Die allermeisten Versprechen der klassischen Gentechnik wurden bisher nicht erfüllt. Nun werden wieder einmal enorme Hoffnungen
zur Heilung genetisch beeinflusster Krankheiten oder zur Welternährung propagiert. Dabei sollte man jedoch beachten, dass sowohl für die Industrie wie auch die beteiligten Wissenschaftsinstitutionen enorme ökonomische Interessen damit verknüpft sind. Es geht um Milliarden und vielleicht weniger um das tatsächliche Wohl der Menschheit. In der PR-Sprache haben
dann Nachrichten über Risiken oder unwahrscheinliche Erfolgsaussichten keinen Platz.
Doch allein schon die Präzision der neuen Verfahren ist bei näherer Betrachtung durchaus nicht völlig zuverlässig. Auch die neuen „Werkzeuge“ haben eine gewisse Toleranz bezüglich des Ansatzpunktes an der Erbinformation, d. h. sie können an vielen unbeabsichtigten Stellen zu Veränderungen führen. Die Kontrolle darauf erfasst bisher nur einen kleinen Teil des Genoms, aber kleinste Veränderungen
an anderen Stellen können schon Entwicklung und Funktion von Zellen beeinflussen, mit unvorhersehbaren Konsequenzen für den Organismus.
Selbst bei „richtigem“ Ansatzpunkt gibt es Probleme, denn für die allermeisten intensiv erforschten Gene sind verschiedene Funktionen bekannt, je nach Gewebe und
Entwicklungszeitpunkt, z. T. auch gleichzeitig in der einzelnen Zelle. Nicht beabsichtigte Effekte am richtigen Ort im Genom werden also kaum je auszuschließen sein.
Für Genome Editing in der Medizin stellen sich zahlreiche weitere Fragen zur Technik aber auch ganz grundsätzlich zur Einstellung gegenüber Krankheit
oder Behinderung.
In der Landwirtschaft hat die klassische Gentechnik bisher fast ausschließlich Sorten hervorgebracht, die tolerant gegen bestimmte Herbizide oder giftig für Pflanzenschädlinge sind. Solche
gv-Pflanzen sind Komponenten eines industriell strukturierten, aufwandsintensiven Landwirtschaftsmodells. Unabhängige Beobachter sehen noch keine stichhaltigen Hinweise dafür, dass mit Genome Editing nun doch Eigenschaften
wie Trockenheitstoleranz, Schädlingsresistenzen oder veränderte Inhaltsstoffe in Kulturpflanzen nachhaltig verankert werden könnten. Auch die neuen Verfahren haben die alten Probleme. Gentechnisch über ein einzelnes Gen erzeugte Pilzresistenzen beispielsweise werden von den Schadpilzen erstaunlich schnell überwunden.
Demgegenüber sollten die Pflanzen durch standortangepasste Züchtung als Ganzes gestärkt werden, um einem Schaderreger besser widerstehen zu können.
Eine ganz besondere Neuerung stellt der „Gene Drive“ – Mechanismus dar, mit dem sich Erbeigenschaften praktisch hundertprozentig durchsetzen lassen (wir berichteten bereits in BN 10.2.17). Damit könnte
und will man u. a. zu Schädlingen erklärte Arten aussterben lassen – auch dies mit dem Risiko schwerwiegender, nicht rückholbarer ökologischer Schäden.
Auch Genome Editing stellt also eine
Risikotechnologie in der Landwirtschaft dar, bei der grundlegende Fragen nach ökologischen Auswirkungen sowie der Sicherheit für Menschen, Tiere und Umwelt bisher unbeantwortet sind.
Näheres unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/gen/positionspapier_genome_editing |