>> Blausteiner Nachrichten Nr. 42 <<
19.10.2018

„Biologische Vielfalt: das Immunsystem der Erde“

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LöwensteinUnter diesem Motto sprach kürzlich Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, ein erfahrener und erfolgreicher Ökolandwirt, in Ulm. Sein Ausgangspunkt: die konventionelle Landwirtschaft ist in vieler Hinsicht instabil. Aus der Fülle seiner Befunde können hier nur wenige herausgegriffen werden. Ein wichtiger Bereich sind die Nährstoffflüsse in Gestalt von Einbahnstraßen. Stickstoff wird als Mineraldünger oder organisch als Eiweißgehalt von Soja aus Übersee eingespeist. In den landwirtschaftlichen Endprodukten findet sich davon aber nur ein Zehntel wieder. 90% gelangen als Nitrat ins Grundwasser, wogegen die Wasserwerke mit großem Aufwand ankämpfen, oder gelangen über die Oberflächengewässer in die Weltmeere, wo die Überdüngung in den großen Flussmündungsbereichen (und einem ganzen Viertel (!) der Ostsee) zu sauerstofffreien Todeszonen führt, oder aber sie tragen als Stickoxide über die Ausgasung aus den Böden in die Atmosphäre zum Klimawandel bei. Fazit also: 90% Einbahnstraße, nur 10% Kreislaufwirtschaft.

Die Rolle von Kohlenstoffdioxid für den Klimawandel ist in aller Munde. Rein rechnerisch könnte eine weltweite Steigerung des Humus-Aufbaus (wie ihn die Öko-Landwirtschaft betreibt) auf sämtlichen landwirtschaftlich genutzten Böden um lediglich 4 Promille den gesamten laufenden menschengemachten CO²-Austoß kompensieren. Er müsste also allein schon deshalb zum zentralen Anliegen der Landwirtschaft erhoben werden, von allen anderen positiven Begleitwirkungen abgesehen.

Das Insektensterben hat mit der Studie der Krefelder Forschungsgruppe, die für die Zeit 1989 – 2015 einen pauschalen Rückgang von über 75% der Gesamt-Biomasse von Insekten dokumentiert, die Öffentlichkeit erreicht. Dabei zeigen Untersuchungen z. B. für Laufkäfer schon für die Jahrzehnte zuvor eine dramatische Abnahme. Bei Vögeln musste innerhalb der letzten 12 Jahre ein Verlust von 12,7 Mio Brutpaaren in Deutschland verbucht werden. Die Ursachen mögen sehr komplex sein, der Einsatz von hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln hat daran unbestreitbar einen herausragenden Anteil. Ihre Anwendung ist von 1994 bis 2017 deutlich angestiegen, obwohl der Anteil des Ökolandbaus inzwischen 8% erreicht hat. Biozide mögen im Labor noch so gezielt nur bestimmte Organismen töten. Im Freiland bewirkt die Ausschaltung jeder Art von Lebewesen eine Destabilisierung des Ökosystems. Dazu kommt, dass die Prüfverfahren bezüglich ökosystemischer Wirkungen völlig unzureichend sind. Nicht nur, dass generell allein der Hauptwirkstoff, nicht aber die tatsächlich angewendete „Formulierung“ mit Hilfsstoffen getestet wird, und erst recht nicht die Wechselwirkungen bei der Kombination mit weiteren Bioziden, wie sie in der Praxis häufig auftritt. Die Prüfung im Labor geht schon als solche an der Wirklichkeit in Ökosystemen vorbei. Z. B. zeigten sich Insektizide in natürlichen Gewässern bei tatsächlich dort in Frage kommenden Konzentrationen für Kaulquappen um den Faktor 100 – 200 schädlicher als im Labor, weil sie mit natürlicherweise von anderen Gewässerbewohnern abgegebenen Stoffen in Wechselwirkung treten. Löwenstein prägte dafür das Schlagwort vom „Dieselgate der Pflanzenschutzmittel“.

Die umstrittene Diskussion um Krebsgefahren durch Glyphosat schlug hohe Wellen, traf aber auf diesem Hintergrund noch nicht einmal das wichtigste Problem. Denn demgegenüber ist die Schädigung der Ökosysteme durch Glyphosat unbestreitbar: so schädigt Glyphosat (neben vielen weiteren „Nebenwirkungen“) Regenwürmer und zahllose Mikroorganismen als Hauptakteure der Bodenfruchtbarkeit. Wenig bekannt: es gab einen Patentantrag für Glyphosat auf Zulassung als umfassend verwendbares Antibiotikum!!
Die weitestgehende Spezialisierung ist ein weiterer entscheidender Faktor für die hochgradige Instabilität der konventionellen Landwirtschaftssysteme. Trotz aller ihrer technokratischen „Fortschritte“ führt sie zu massiven und wachsenden Existenzproblemen vieler Landwirte.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht Löwenstein allein im ökologischen Landbau. Richtig angepasst an die örtlichen Naturbedingungen vereinen seine diversifizierten Wirtschaftssysteme relativ hohe Produktivität mit relativ niedrigem Betriebsmitteleinsatz und nicht zuletzt Förderung der Gesundheit von Landwirten und Verbrauchern.

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