>> Blausteiner Nachrichten Nr. 11 <<
17.3.2023

„Komplikationen beim Einsatz der »Neuen Gentechnik« CRISPR/Cas“

Neue Techniken der Genom-Veränderung entwickeln sich derzeit rasant weiter. Damit wächst auch die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Umgangs mit den einhergehenden Risiken. Das derzeit wohl am häufigsten eingesetzte und vielversprechendste Verfahren ist das sog CRISPR/Cas-System („Genschere“). Mit dieser Genschere wurde u. a. auch Leindotter genetisch verändert (Leindotter ist eine Ölpflanze, die auch in unserer Gegend als Stützpflanze für Linsen angebaut wird - natürlich ohne gentechnische Veränderungen!). Mit Hilfe der Genschere wurde der Anteil der einfach ungesättigten Ölsäure in seinen Samen erhöht und damit der Anteil an leicht oxidierbaren Fettsäuren reduziert, damit das Leindotteröl länger haltbar bleibt. Dieser erwünschte Effekt ist leicht überprüfbar. Es gibt aber auch sehr viele schwer vorhersagbare und schwierig nachzuweisende indirekte Effekte der Genveränderung, die aus Wechselwirkungen innerhalb der Pflanze und zwischen Pflanze und Umwelt resultieren können.

Durch Wechselwirkungen mit anderen Genen kann sich beispielsweise die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe von Pflanzen verändern. Das kann dazu führen, dass von einem Stoffwechselprodukt, das gar nicht verändert werden sollte, viel mehr gebildet wird als in der unveränderten Pflanze. Solche Auswirkungen sind zum Teil schwer zu entdecken, weil es hier nicht ausreicht, nur die Struktur der DNS zu untersuchen; stattdessen müssen oft komplexe Stoffwechselvorgänge in der Zelle genauer geprüft werden. Ein Beispiel für Wechselwirkungen mit der Umwelt ist eine mögliche „Fehlernährung“ der Bienen, die Leindotter bestäuben. Honigbienen, die gezielt ohne mehrfach ungesättigte Fettsäuren ernährt werden, haben ein verkleinertes Gehirn, eine verkleinerte Futtersaft herstellende Drüse und ein geringeres Lernvermögen. Ähnliches mag für Wildbienen und andere bestäubende Insekten gelten, was bisher aber nicht untersucht wurde. Des weiteren kann eine Veränderung der Fettsäurezusammensetzung die Stressantwort des Leindotters beeinträchtigen, da die mehrfach ungesättigten Fettsäuren die Funktion seiner Zellmembranen bei tiefen Temperaturen sichern (Frostsicherheit) und außerdem ein wichtiges Ausgangsprodukt für die Produktion schützender Wachsschichten sind. Schließlich kann sich ein genomeditierter Leindotter, der in die Umwelt freigesetzt wird, mit Wildarten (kleinfrüchtiger Leindotter) oder dem verwandten Hirtentäschelkraut kreuzen und in neue Habitate eindringen. In nachfolgenden Generationen kann dies unbeabsichtigte Auswirkungen haben. Falls die Nachkommen einen wie auch immer gearteten Selektionsvorteil gegenüber wilden Arten haben, würde sie diese verdrängen. Aus all dem ist zu folgern, dass eine präzise am Zielgen angesetzte Genschere noch keineswegs einen sicheren Erfolg garantiert. Vielmehr sind aufwendige und lange Überlegungen und Untersuchungen notwendig, um mögliche unerwünschte und zunächst unvorhersehbare negative Wechselwirkungen sowohl innerhalb des Stoffwechselsystems der genommodifizierten Pflanze als auch mit dem ökologischen System der Umwelt auszuschließen.

Quelle: Pfeil Newsletter 12/2022 des Genethischen Netzwerkes

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